Rainer Kessel

Biografie

1955 in Berlin geboren
1974-76 Stukkateurlehre am Bodemuseum Berlin
1977-80 Tätigkeit als Theaterplastiker für die Deutsche Staatsoper Berlin
1980-85 Studium an der Kunsthochschule Berlin
seit 1985 freischaffend in Neu Nantrow
seit 1999 Lehrtätigkeit für plastisches Gestalten und Aktzeichnen an der Kunstschule Rostock
Mitglied im Künstlerbund Mecklenburg und Vorpommern im BBK

EinzelAustellungen

1988 Bad Doberan Galerie Roter Pavillon
1989 Wismar Galerie Hinter dem Rathaus
1989 Bremen Galerie des Westens
1990 Rostock Boulevardgalerie
1990 Rostock Galerie im Hausbaumhaus
1991 Neubukow Buchhandlung Buch & Kunst
1993 Steinfurth Rathausgalerie
1994 Uppsala / Schweden Galerie 1
1994 Wismar Galerie Hinter dem Rathaus
1996 Eutin Galerie Schlossgarten
1997 Rostock Schleswig-Holstein-Haus
1997 Kühlungsborn Kunsthalle
1997 Wustrow Kunstscheune
1999 Wismar Rathauskeller
1999 Hven / Schweden Galerie Marielund
1999 Bad Doberan Galerie Roter Pavillon
1999 Ribnitz-Damgarten Galerie im Kloster
1999 Wittenhagen Plastikgalerie
2000 Herrnburg Galerie im Zollhaus
2002 Rostock Galerie 8
2002 Brovst / Dänemark Galerie Billedstedet
2003 Recklinghausen galerie art consulting
2004 Bad Tatzmannsdorf/Österreich Galerie am Hengstbrunnen
2005 Wismar Gerichtslaube

Arbeiten im öffentlichen Raum

1989 Wismar Relief „Reuter und Hinstorff“, Bronze
1989 Ravensruh Relief „Albert Schweizer“, Bronze
1990 Wismar „Vater und Sohn“, Eiche
1990 Heringsdorf „Knabe“, Eiche
1990 Neubukow „Schliemannstele“, Sandstein, Bronze
1991 Neubukow Porträt „Heinrich Schliemann“, Bronze
1991 Bremen „Weiblicher Torso“, Kirchholz
1991 Wismar „Don Quichote“, Bronze
1994 Neubukow „Netzball“, Kupfer, Messing
1994 Karsow „Hund“, Bronze
1996 Neukloster „Alte Tänzerin“, Bronze
1998 Rostock „Apokalyptischer Reiter“, Bronze
2000 Petrosawodsk, Russ. „Under The Commen Stars“, Edelstahl
2003 Bad Doberan „Figuration Willi Brandt“, Bronze, Edelstahl

Rainer Kessel ist ein Berliner des Jahrgangs 55 und hat vor seinem Bildhauerstudium an der Kunsthochschule Berlin zwei ebenso praktikable wie interessante handwerkliche Grundsteine gelegt: Als Stukkateur und dann als Theaterplastiker für die Deutsche Staatsoper Berlin. Seit 1985 ist er im mecklenburgischen Neu Nantrow ansässig. Seine Reiter, Pferde, Fabelwesen sind im besten Sinne klassisch: mit großem plastischen Können aufwendig und dennoch leicht geformt, elegant und heiter ausgespannt in den Raum, dass es ein Fest und eine Augenlust ist. Die großartige Tradition dieser ebenso beständigen wie anspruchsvollen, kostbaren wie unverwüstlichen, schwerelos formbaren Mischung aus Zinn und Kupfer wird in den Figuren lebendig, Die antiken Mythen von Macht und Begehren, Sinnenlust und Transzendenz, bukolischem Spiel und geharnischtem Ernst kehren wieder im Lichterspiel der edlen patinierten Bronzeoberflächen. Kessels Kinder reiten wie zu allen Zeiten auf den muskulösen Pferderücken, die hinterm Atelierfenster in der vorpommernschen Weite grasen. Die fragile Balance von Dynamik und Gleichgewicht gehören zum Geheimnis guter Plastik wie dieser: Abbilder Mensch und Tier, ebenso schön wie verletzlich.

(Gerold Paul  –  Potsdamer Neueste Nachrichten)

Text zum Pferdekopf "Johnny Cash", von Stefan Maelck.

GEHÖRT HUMOR IN DIE KUNST?
Ein Besuch bei Rainer Kessel
Does Humor belong in Music hieß ein Live-Album von Frank Zappa 1986. Der Titel bezog sich auf ein Interview, in dem Zappa gefragt worden war, was er wohl als seine Stärke beim Verfassen von Songtexten betrachte. Seinen Sinn für Humor war die Antwort auf die sich der Titel des besagten Albums später berief. Man könnte die Frage erweitern: Gehört Humor nicht in die Kunst schlechthin?
Eine Frage, die bis heute diskutiert wird, allerdings immer seltener. In einer Zeit, in der Moral oft über Kunst und über Humor gestellt wird, hört der Spaß auf. Wir erleben das täglich. Der Diskurs verschwindet und damit die Möglichkeit der Distanz zu sich selbst und zu anderen. Verstörendes und Verrücktes wird bekämpft anstatt es zu begrüßen auf diesem Narrenschiff, das sich Gesellschaft nennt.
Um so wichtiger also wird jede Kunst, die die Welt auf den Kopf stellen will, auch wenn die Figuren dafür nicht zwangsläufig selbst auf dem Kopf stehen müssen. Manchmal müssen sie einen nur anlächeln wenn man es gerade nicht erwartet. So erging es mir vor ein paar Jahren mit einem Pferdekopf von Rainer Kessel. Eine Bronze, so groß wie ein echter Pferdekopf und doch mit einem kleinen Unterschied.
Freunde hatten mich und meine Freundin Claudia mitgenommen nach Neu Nantrow zu den Kessels. „Kunstinterressiert oder nur mit?“ fragte uns Rainer Kessel zur Begrüßung. „Nur mit.“
Während wir im Schatten eines Pflaumenbaumes Kuchen aßen, stellten wir schnell fest: Gemeinsamkeiten und gemeinsame Bekannte. Ich hatte ein paar Arbeiten von Rainer Kessel bereits in der Galerie hinter dem Rathaus in Wismar bewundert, Arbeiten die mir etwas erzählten, weil mir der Blick auf die Welt gefiel. Oder das, was ich als den Blick des Künstlers auf die Welt vermutete. Kessel hat bei Jo Jastram studiert, in Kessels Atelier fühlte ich mich an das Atelier von Jastram in Kneese erinnert, das ich in der 1980er Jahren mehrfach mit Studenten aus aller Welt besucht hatte, Studenten, denen wir im Rostocker Hochschulferienkurs für Germanistik neben Deutsch auch den einen Teil Deutschlands näher brachten. Ein Kreis schloss sich.
Wir hatten sofort einen Namen für den Pferdekopf: Johnny Cash. Er zog die Oberlippe hoch wie Joaquin Phoenix, der im Film Walk the line Johnny Cash spielt, und das mit der Lippe besser konnte als Cash selbst. Ich habe zur „Pferdeoper“, also zur Countrymusik,  ein viel engeres Verhältnis als zu Pferden. Ich habe nie vom Reiten geträumt oder es auch nur versucht. Ich war nicht mal bei den Cowboys als Kind. Wir durften ja noch alles sein damals, auch Indianerhäuptling.
Johnny Cash also grinste uns an. Liebe auf den ersten Blick. „Schön, dass wir den Humor verstehen würden“ freute sich der Künstler. Manche hätten schon gesagt, dass ist ja gar kein richtiges Pferd, da würde der Spaß aufhören. Wo er doch genau dort erst beginnt. Das gilt für viele Arbeiten von Rainer Kessel. Wenn man sich in sie vertieft, dann erzählen sie einem Geschichten. Geschichten, die manchmal ernst sind , manchmal ironisch, oft beides. Geschichten, die sich mit der Zeit verändern. Wie Figuren es tun. Selbst wenn sie in Bronze gegossen sind.
Der echte Johnny Cash kam 1996 zum ersten und einzigen Mal nach Halle/Saale. Er hatte gerade seine erste American Recordings Platte mit Rick Rubin aufgenommen. Gemeinsam hatten die beiden den späten Johnny Cash erfunden. Das ist ja gar nicht mehr der richtige Johnny Cash sagten manche. Obwohl er das mit Lippe noch konnte.
2019, 16 Jahre nach Johnny Cashs Tod, kam Johnny Cash, der Pferdekopf von Rainer Kessel nach Halle. Und er ist geblieben. Morgens begrüsse ich ihn. Howdy! Im Spiegel übe ich manchmal heimlich, die Oberlippe so hoch zu ziehen wie er. Diese Lippe macht mir Mut. Ihr warmes und doch verächtliches Lächeln sagt: Es ist noch nicht vorbei mit dem Humor. Und mit der Kunst.
Stefan Maelck, Halle/Giebichenstein, Juli 2022